Wirtschaft: Wirtschaften auf Vorrat

Die jüngsten Konjunkturzahlen vermitteln ein trügerisches Bild. In vielen Volkswirtschaften haben vorgezogene Bestellungen wegen drohender und teilweise in Kraft gesetzter Handelsbeschränkungen die Industrieproduktion und damit das Wirtschaftswachstum vorübergehend angekurbelt. In den USA hingegen dürfte die Wirtschaftsleistung unterschätzt worden sein, da ungewöhnlich hohe Importe das Volkseinkommen rechnerisch belasten. Wie stark die neue Zollpolitik die Weltwirtschaft tatsächlich bremst, wird sich erst in den kommenden Wochen und Monaten zeigen.

In der Schweiz haben viele Industrieunternehmen Aufträge in die USA vorgezogen, um den angekündigten Zöllen zuvorzukommen. Das Exportvolumen nicht-pharmazeutischer Güter hat sich im März gegenüber dem Vorjahresmonat mehr als verfünffacht. Die Unternehmen werten diesen Anstieg jedoch als Sondereffekt und rechnen für die kommenden Monate mit einem deutlichen Rückgang des Geschäfts. Die Stimmung in der Industrie ist damit wieder deutlich in den negativen Bereich gerutscht. Etwas stabiler stellt sich die Lage bei den Dienstleistern dar, die weiterhin von einer robusten Binnennachfrage profitieren. Für Aufsehen haben auch die jüngsten Inflationsdaten gesorgt. So ist die Teuerungsrate auf 0 Prozent gefallen. Damit sind weitere Zinssenkungen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) wahrscheinlicher geworden.

Wachstum, Stimmung und Trend

In Prozent

Die Grafik zeigt das tatsächliche Jahreswachstum des Schweizer Bruttoinlandprodukts (BIP) seit 1995, dessen langfristigen Trend und einen vorlaufenden Konjunkturklimaindikator. Dieser deutet darauf hin, dass die Wachstumsdynamik zuletzt deutlich zugenommen hat.
Quelle: Bloomberg

Die US-Wirtschaft ist im ersten Quartal 2025 nach offizieller Schätzung leicht geschrumpft. Die Zahlen dürften die konjunkturelle Entwicklung allerdings etwas zu negativ darstellen, da die stark gestiegenen Importe im Zuge der angedrohten und teilweise umgesetzten Handelsbeschränkungen das Volkseinkommen rein rechnerisch belasten. Einen realen Konjunktureinbruch sehen wir bislang aber nicht: Die Stimmung in den Unternehmen bleibt auf eher niedrigem Niveau stabil und der Arbeitsmarkt ist weiterhin gut ausgelastet. Dagegen hat sich der private Konsum deutlich abgeschwächt. Von der kräftigen Nachfrage, die in den vergangenen Jahren das Wachstum stützte, ist nicht einmal mehr die Hälfte übrig geblieben. Angesichts des stark eingetrübten Konsumentenvertrauens ist diese Entwicklung wenig überraschend. Inwieweit die jüngsten handelspolitischen Massnahmen die Konjunktur zusätzlich belasten, wird sich zudem erst im weiteren Jahresverlauf zeigen.

Wachstum, Stimmung und Trend

In Prozent

Die Abbildung zeigt das Wachstum des realen amerikanischen BIP und dessen langfristigen Trend sowie einen vorlaufenden Konjunkturklimaindikator seit Mitte der Neunzigerjahre. Der vorlaufende Indikator deutet darauf hin, dass sich das Wirtschaftswachstumstempo der USA in naher Zukunft weiter reduzieren wird.
Quelle: Bloomberg

Im ersten Quartal ist die Wirtschaftsleistung im Euroraum insgesamt um 0,4 Prozent und damit etwas stärker als in den Vorquartalen gewachsen. Allerdings dürfte dieses Plus weniger einem breit angelegten Aufschwung als vielmehr vorgezogenen Bestellungen in die USA zu verdanken sein, mit denen die Unternehmen auf drohende Handelsbeschränkungen reagiert haben. Dafür spricht auch, dass sich die Stimmung der Unternehmen zuletzt kaum aufgehellt hat. Trotz der verhaltenen konjunkturellen Dynamik hat die Inflationsdynamik wieder leicht zugenommen: Die Kernrate der Inflation ist im April von 2,4 auf 2,7 Prozent gestiegen. An den Finanzmärkten wird dennoch mit weiteren Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) gerechnet.

Wachstum, Stimmung und Trend

In Prozent

Die Darstellung zeigt das Wachstum des realen BIP, dessen Trend und ein vorlaufendes Konjunkturklima für die Eurozone seit 1995. Der vorlaufende Indikator deutet auf ein stagnierendes Wirtschaftswachstum (zwischen 0 und 0,5 Prozent) in naher Zukunft hin.
Quelle: Bloomberg

Indien bleibt der Wachstumsmotor unter den Schwellenländern. Die Wirtschaft profitiert sowohl von einer robusten internationalen Nachfrage als auch von einem starken Bevölkerungswachstum und einer steigenden Binnennachfrage. Auch die Stimmung der Unternehmen deutet weiterhin auf eine rege Geschäftstätigkeit hin. Ähnlich positiv ist die aktuelle Entwicklung in Indonesien. Deutlich schwieriger ist die Lage in Brasilien, wo sich die Konjunktur spürbar abkühlt. Auch China bleibt hinter den Erwartungen zurück: Die anhaltende Immobilienkrise und tiefgreifende Strukturprobleme bremsen die Entwicklung der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt. Hinzu kommt ein eskalierender Handelskonflikt mit den USA. Vor diesem Hintergrund sind die bisherigen fiskalpolitischen Stützungsmassnahmen der chinesischen Regierung weitgehend wirkungslos geblieben.

Wachstum, Stimmung und Trend

In Prozent

Diese Grafik zeigt das durchschnittliche reale BIP-Wachstum ausgewählter Schwellenländer, dessen Trend und ein vorlaufendes Konjunkturklima seit 1995. Der vorlaufende Indikator deutet darauf hin, dass die Wirtschaft in naher Zukunft mit Trendwerten mit zwischen 4 und 5 Prozent wachsen wird.
Quelle: Bloomberg

Globale Konjunkturdaten

IndikatorenSchweizUSAEurozoneGBJapanIndienBrasilienChina
Indikatoren
BIP J/J 2025Q1
Schweiz
k.A.
USA
2,0%
Eurozone
1,2%
GB
1,3%
Japan
k.A.
Indien
k.A.
Brasilien
k.A.
China
5,4%
Indikatoren
BIP J/J 2024Q4
Schweiz
1,9%
USA
2,7%
Eurozone
1,2%
GB
1,5%
Japan
1,2%
Indien
6,2%
Brasilien
3,6%
China
5,4%
Indikatoren
Konjunkturklima
Schweiz
+
USA
Eurozone
GB
-
Japan
+
Indien
+
Brasilien
China
=
Indikatoren
Trendwachstum
Schweiz
1,3%
USA
1,6%
Eurozone
0,8%
GB
1,8%
Japan
1,1%
Indien
5,3%
Brasilien
1,8%
China
3,7%
Indikatoren
Inflation
Schweiz
0,0%
USA
2,3%
Eurozone
2,2%
GB
2,6%
Japan
3,6%
Indien
3,3%
Brasilien
5,5%
China
-0,1%
Indikatoren
Leitzinsen
Schweiz
0,25%
USA
4,5%
Eurozone
2,4% 
GB
4,5%
Japan
0,5%
Indien
6,0%
Brasilien
14,25%
China
3,10%

Quelle: Bloomberg

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