Nach der Euphorie die Ernüchterung

Die Euphorie im Zusammenhang mit der US-Börse, Technologieaktien und dem Dollar hat im Verlauf der letzten Wochen deutlich abgenommen. Unsicherheiten über die politische Situation, aber auch die Frage, ob die Zukunftserwartungen nicht zu optimistisch waren, lasten auf den Märkten.

Neue Technologien verändern unser Leben, aber ob sie zu dauerhaften Rekordgewinnen der Unternehmen führen, steht auf einem anderen Blatt.

Amerika bleibt das Land der Träume und der Dollar die Leitwährung der Welt. Daran besteht kein Zweifel. Es gilt das Sprichwort: «Wenn die Wall Street niest, bekommt der Rest der Welt einen Schnupfen.» Auch im Jahr 2024 hat sich an dieser Einschätzung nichts geändert. Ein Blick auf die US-Börse, aber auch auf den amerikanischen Dollar macht das deutlich.

Zum Jahresanfang war der Optimismus grenzenlos. Der Dollar konnte sogar gegenüber dem Franken deutlich zulegen. Die Technologieaktien der NASDAQ waren so gesucht wie selten zuvor. Trotz aller Unkenrufe wollte sich eine Verlangsamung der Konjunktur nicht einstellen. Nach nur vier Monaten des Jahres war der Dollar von 84 auf 92 Rappen gestiegen. Das ist ein sattes Plus von beinahe 10 Prozent. Die Tech-Aktien legten auf Dollarbasis in diesem Zeitraum um gut 12 Prozent zu. Zusammen ergab das einen Papiergewinn von über 25 Prozent. Das war aber noch nicht genug. Bis Anfang Juli stiegen die Börsenkurse weiter. Die Papiergewinne stiegen auf 35 Prozent an.

Mittlerweile ist die Euphorie vom Frühling und Sommer in den USA verflogen. Auf Sonnenschein folgte Regenwetter. Konjunktursorgen machen sich breit, und auch der Aktienmarkt hat Mühe, seinen Aufwärtstrend wieder aufzunehmen. Der Dollar ist sogar wieder auf das Niveau zurückgefallen, auf dem er das Jahr begonnen hatte. Für Schweizer Anleger:innen haben sich die Papiergewinne halbiert.

Der Hintergrund dieser Entwicklung ist eine deutliche Eintrübung der Konjunkturaussichten und die Feststellung, dass selbst Rekordgewinne, wie unlängst beim Chiphersteller Nvidia, die Erwartungen der Finanzmärkte nicht mehr befriedigen können. Hinzu kommt vielleicht auch noch ganz einfach, dass die Unsicherheit bezüglich des Ausgangs der Präsidentschaftswahlen den Markt zunehmend belastet. 

Zum heutigen Zeitpunkt ist das Rennen um das Weisse Haus offen. Die Alternativen erscheinen aus Sicht der Anleger:innen aber wenig inspirierend, wenn auch die Sympathien zumindest in der Schweiz und in Europa klar verteilt sind. Auf der einen Seite haben wir einen von Katzen und Hunden fabulierenden älteren Herrn, bei dem man Angst haben muss, dass er etwas Unüberlegtes tut. Auf der anderen Seite steht eine Dame, die mit für die Wirtschaft wenig prickelnden Aussichten von Steuererhöhungen, Preisbindungen und einem grösseren Staat im Wahlkampf antritt. 

Börsen werden aber nur in Extremfällen nachhaltig durch politische Entwicklungen beeinflusst. Und die Behauptung, dass Präsidenten der einen Partei besser für die Börse seien als die der anderen Parteien, ist nicht belegbar. So legte z. B. unter Präsident Biden die US-Börse bisher gut 65 Prozent zu, während der Präsidentschaft von Donald Trump waren es hingegen «nur» 55 Prozent. 

Angesichts der sich verlangsamenden US-Konjunktur muss man die Sorge haben, dass der Anstieg über beide Amtsperioden zusammen von über 150 Prozent nicht nachhaltig sein kann. Zur Erinnerung: Das nominale Volkseinkommen ist über diesen Zeitraum «nur» um 50 Prozent gewachsen. Für den Dollar und auch die Börse lässt das nichts Gutes erahnen. Noch immer scheinen die Träume schöner zu sein als die Wirklichkeit.

Über Philipp Merkt

Philipp Merkt arbeitet seit 2015 bei PostFinance – aktuell als Chief Investment Officer und Leiter Asset Management Solutions. Der gebürtige Solothurner hat an der Universität Fribourg Informatik und Wirtschaft studiert und hat einen MBA mit Schwerpunkt Finance der Universität Bern sowie der Simon Business School der University of Rochester NY.

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