Mit Gelassenheit

Die letzten Wochen waren geprägt von Hektik und Aufregung. Spätestens seit dem 2. April, dem Tag, an dem US-Präsident Donald Trump der Welt seine Zollforderungen verkündet hat, ist in der Handelspolitik wie an den Finanzmärkten kaum ein Stein auf dem anderen geblieben.

Trumps Aussagen darf man wohl nicht wörtlich nehmen – ernst nehmen muss man sie allerdings sehr wohl.

Die Aufregung bei Marktteilnehmer:innen, Medien und in der Politik war heftig. Trump riskiert mit seiner oft rücksichtslosen und wirtschaftlich kaum durchdachten Politik, nicht nur den Ruf der USA als verlässlichen und marktwirtschaftlich orientierten Partner zu zerstören. Die einseitig verhängten und grösstenteils unbegründbaren Zölle untergraben auch internationale Regeln und Institutionen, die für einen offenen und stabilen Welthandel entscheidend sind.

Einige Wochen später zeigt sich: Vieles vom martialischen Auftritt von Donald Trump wurde relativiert. Die tatsächlich umgesetzten Zölle sind oft deutlich niedriger als angekündigt oder wurden ausgesetzt. Auch der aggressive Ton des Liberation Day ist einem versöhnlicheren Vokabular gewichen. Allenthalben ist von «guten Deals» unter «guten Partnern» die Rede. Die Märkte scheinen Trump etwas gezähmt zu haben.

Doch das sollte nicht darüber hinwegtäuschen: Die USA erheben in diesem Jahr deutlich mehr und höhere Zölle als zuvor. Die Folgen davon werden spürbar sein – in Form von höherer Inflation und niedrigerem Wachstum. Die Unternehmen werden sich mittelfristig darauf einstellen, aber kurzfristig bleibt die Belastung bestehen. Von einem «Weltuntergang», wie ihn manche Kommentator:innen anfangs heraufbeschworen haben, sind wir dennoch weit entfernt. Was können wir daraus lernen? Wir sollten Trumps Aussagen wohl mit etwas mehr Gelassenheit betrachten. Wörtlich nehmen darf man seine Aussagen nicht. Ernst nehmen muss man ihn dagegen sehr wohl – insbesondere mit Blick auf das Verhältnis zu China.

Die USA und China stehen im Wettkampf um die globale Führungsrolle in Wirtschaft und Politik. Dabei ist das Ergebnis dieses Wettstreits einfach zu prognostizieren. Chinas Aufstieg wird langfristig wohl nicht zu verhindern sein. Das sieht man schon daran, dass selbst in Zeiten einer Wirtschaftskrise die chinesische Volkswirtschaft schneller wächst als die USA in sehr guten Jahren. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Chinesen die USA wirtschaftlich überholt haben. Das kann keine Handelspolitik verhindern.

Bis dahin werden die USA mit China wohl in aktiver Rivalität stehen. Vorläufig bedeutet das weitere Spannungen, auch wenn die Rhetorik beider Seiten nach ihren Verhandlungen in Genf positiv geklungen hat. Neben den Zöllen gibt es aber noch andere Streitpunkte der Geopolitik. Man denke nur an die Frage Taiwan oder den Streit um Hoheitsrechte im südchinesischen Meer.

Bevor diese Krisenherde sich aber zuspitzen, werden die gestiegenen Zölle aber zu höherer Inflation in den USA führen. Gleichzeitig droht eine Abkühlung der US-Wirtschaft. Normalerweise müsste man sogar mit einer Rezession rechnen, nur die kann die Inflation wieder zurückführen. Weniger Wachstum, höhere Inflation oder gar eine Rezession: All das spricht gegen eine übermässige Risikobereitschaft an den Finanzmärkten.

Wir bleiben daher zurückhaltend. Es ist zu früh, um grosse Risiken einzugehen. 

Über Philipp Merkt

Philipp Merkt arbeitet seit 2015 bei PostFinance – aktuell als Chief Investment Officer und Leiter Asset Management Solutions. Der gebürtige Solothurner hat an der Universität Fribourg Informatik und Wirtschaft studiert und hat einen MBA mit Schwerpunkt Finance der Universität Bern sowie der Simon Business School der University of Rochester NY.

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