Seit dem Fall der Berliner Mauer und dem Ende des Kalten Krieges lebten wir in einer aussergewöhnlichen Phase. Über drei Jahrzehnte hinweg teilte die westliche Welt ein gemeinsames Fundament: Demokratie und freie Märkte galten als überlegen, Institutionen schufen Vertrauen, Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit gaben Orientierung. Zudem führten internationaler Wettbewerb und Arbeitsteilung zu Innovationen und steigendem Wohlstand. Diese Ordnung war nicht nur politisch prägend, sondern auch die ökonomische Grundlage für Wachstum und Planungssicherheit.
Heute bröckelt dieses Fundament. Spätestens mit der Rückkehr von Donald Trump ins Weisse Haus ist die Überzeugung, dass offene Märkte und gemeinsame Regeln den besten Weg weisen, grundlegend infrage gestellt worden. Statt Kooperation zählt immer öfter der eigene Vorteil. Strafzölle sollen Arbeitsplätze zurückbringen, politische Deals sollen Stärke demonstrieren und wirtschaftliche Instrumente sollen als Druckmittel dienen, um das Verhalten anderer Staaten zu beeinflussen. Was über Jahrzehnte auf gemeinsamen Regeln beruht hat, wird zunehmend durch Machtpolitik und das Recht des Stärkeren ersetzt.
Besonders beunruhigend ist, dass selbst Fakten an Verbindlichkeit verlieren. Die Entlassung der Leiterin der US-Arbeitsmarktstatistik, nachdem die Zahl der neu geschaffenen Stellen zu tief ausfiel, zeigt, wie fragil die Grundlage mittlerweile ist. Daten, die nicht dem gewünschten Bild entsprechen, werden nicht mehr akzeptiert. Doch wenn Zahlen zur Meinungssache werden, erodiert die Basis für Vertrauen und vorausschauendes Handeln. Wahrheit wird verhandelbar und damit auch die Basis für rationales Entscheiden.
Für die Schweiz ist das mehr als nur ein abstraktes Risiko. Ein angestrebtes und verhandeltes Abkommen über Strafzölle von 10 Prozent ist gescheitert. Stattdessen hoffen wir nun, die einseitigen Zölle von 39 Prozent auf unseren Exporten noch zu verbessern oder abzuwenden. Doch ein Erfolg ist ungewiss. Selbst die EU mit vergleichsweise besseren Zollabkommen kann sich nicht sicher sein, dass das Abkommen bei der nächsten Auseinandersetzung oder nur Gelegenheit nicht erneut infrage gestellt wird. Damit schwindet die Verlässlichkeit, auf die offene Volkswirtschaften angewiesen sind. Langfristige Planung wird schwieriger und die Unsicherheit steigt spürbar.
Die ökonomischen Folgen zeichnen sich bereits ab, insbesondere in den USA selbst. Dort steigt die Kerninflation wieder an, während das Wachstum trotz massiver fiskalischer Impulse deutlich nachlässt. Dass die US-Konjunktur unter der eigenen Politik leidet, überrascht kaum: Zölle verteuern Importe, fördern Ineffizienzen und schwächen die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Unternehmen. Politische Rhetorik kann die ökonomische Realität nicht dauerhaft überdecken.
Für unsere Anlagestrategie bedeutet das: Wir bleiben im US-Markt vorsichtig und halten an unserer überdurchschnittlichen Goldquote fest, die sich in diesem Umfeld bewährt hat. Zugleich lassen wir uns nicht von kurzfristigen Ausschlägen leiten. In einer Welt, in der Gewissheiten und Institutionen erodieren, ist und bleibt eine breit diversifizierte und langfristig ausgerichtete Strategie die verlässlichste Grundlage für stabile Anlageergebnisse.